Verhältnis der britischen Touristen zur Schweiz: eine Schicksalsgemeinschaft oder… eine treulose Liebe?
RoyaumeUni Comportement SegmentDeClienteleVerschiedene wichtige Geburtstage und Jubiläen im Schweizer Tourismus sind seit 2014 begangen worden. Da gibt es in erster Linie die grossartigen 150 Jahre Schweizer Wintertourismus, die das Thema für die Kampagne des Schweizer Tourismus für den Wintertourismus inspiriert haben: « Switzerland, the Original Winter». Zudem hat Zermatt im Verlaufe des Sommers 2015 die Erstbesteigung des Matterhorns vor 150 Jahren gefeiert. Besteht zwischen diesen Ereignissen ein Zusammenhang? Aber sicher! Sie sind alle mit dem Interesse verbunden, das die Engländer, die eigentlichen Pioniere des Alpinen Tourismus, der Schweiz widmen.
Die Bündner Legende berichtet, dass Johannes Badrutt die ersten Wintergäste zu verdanken seien. Im September 1864 machte dieser innovative Hotelier von St. Moritz 4 englischen Sommertouristen folgenden Vorschlag: „Besuchen Sie uns während der Wintersaison wieder und wenn es Ihnen nicht gefällt und wenn Sie kein sonniges Wetter vorfinden, dann erstatte ich Ihnen die Kosten für die Reise von London und zurück. Hingegen, wenn es Ihnen bei uns im Winter gefällt, dann lade ich Sie als Gäste ein, für die Dauer Ihrer Wahl.“ Das Risiko war sicher gross, aber es hat sich ausbezahlt! Diese Kunden haben ihn beim Wort genommen und fanden den Schweizer Winter sehr angenehm. Sie haben in der Folge im Vereinigten Königreich dafür Werbung gemacht und auf diese Weise soll der Schweizer Wintertourismus entstanden sein.
Die Erstbesteigung unseres mythischen Matterhorns ist ebenfalls eines der prägenden Ereignisse bei unserem Verhältnis zu den Untertanen der englischen Königin. Mr. Edward Whymper, der Held und Chef der Seilschaft dieser Erstbesteigung vom 14 Juli 1865, war an dem besonderen Tag nicht nur der erste Brite, sondern auch der erste Mensch überhaupt, der diesen Mythos der Alpen bis zu seinem Gipfel erklommen und seine italienischen Konkurrenten nur um wenige Minuten geschlagen hat.
Sensible öffentliche Meinung der Briten bei englischen Prominenten und der Monarchie
Eine Besonderheit der angelsächsischen Welt ist verbunden mit der Tatsache, dass die öffentliche Meinung sich sensibel zeigt im Zusammenhang mit medienwirksamen Prominenten und dem Königreich insbesondere. Die zahlreichen britischen Persönlichkeiten, die sich dafür entschieden haben ihre Ferien in der Schweiz zu verbringen, haben deshalb einen erheblichen Einfluss auf die Popularität unseres Landes beim britischen Volk. Unter den britischen Untertanen, die mit der Schweiz verbunden sind, kann man unter anderem Roger Moore, verschiedene Mitglieder der Königlichen Familie, wie z.B. Prinz Charles und Sarah Ferugson ausmachen, sowie Rowan Atkinson alias Mr. Bean, James Blunt und viele andere mehr. Gerüchten zur Folge sollen auch Viktoria und David Beckham ihre Ferien bei Verbier verbringen. Die Station Verbier hat im Übrigen stark davon profitiert, dass die britische Armee während einem längeren Zeitabschnitt in Verbier jährliche Trainingscamps durchgeführt hat.
Solche Geschichten mögen banal erscheinen… Dennoch, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit haben immer schon auf diese Weise als Katalysator für die touristische Promotion funktioniert. Man benötigt also keine besondere Vorstellungskraft, um sich die mediale Wirkung dieser „stories“ in Grossbritannien vorstellen zu können. Seit der Epoche von Badrutt und Whymper hat die gesamte Schweiz vom Interesse dieser Kunden profitiert, vor allem im Bereich des Skisports. Unser Land hat immer von einem privilegierten Bild jenseits des Ärmelkanals profitiert. In den Augen der Engländer sind die hauptsächlichsten Vorzüge der Schweiz ihre Landschaft, ihr Klima, die gute Luft und die Skiangebote (von denen sie grosse Liebhaber sind), ihre geografische Situation und auch, was auf keinen Fall vernachlässigt werden darf, ihre politische Stabilität.
Eine unerschütterliche Verbindung der Briten mit der Schweiz und mit ihren Bergen ?
Aber wie ist denn die Situation heute? Ist diese Liebe für die Schweiz immer noch aktuell, oder haben im Gegenteil Ereignisse wie die ungünstige Entwicklung des Wechselkurses oder andere Geschichten wie die Steuerflucht diesen Wettbewerbsvorteil beeinträchtigt?
Die Wichtigkeit dieses Marktes muss nicht mehr bewiesen werden. Während dem «Ferientag» von Schweiz Tourismus, welcher dieses Jahr in Zermatt stattfand (April 2015), hat Marcelline Kuonen, von Valais Wallis Promotion dargelegt, dass 2014 der britische Markt 8,4% der gesamten Übernachtungen in Schweizer Hotels ausmachte. Der Markt „UK & Ireland“ nimmt im Wallis den 2. Platz der ausländischen Märkte ein, hinter dem unverrückbaren deutschen Markt. Gemäss den Äusserungen von Marcelline Kuonen, wird Schweiz Tourismus deshalb auch inskünftig stark in diesen Markt investieren, der nach Ansicht der Spezialisten weiterhin sehr bedeutend bleiben wird.
Trotzdem sind seit dem Rekordjahr 2007/2008, die Hotelübernachtungen der britischen Touristen rückläufig. Dabei muss aber relativierend festgehalten werden, dass diese Entwicklung nicht nur auf die Schweiz zutrifft, sondern in allen europäischen Märkten zu beobachten ist.
Dennoch konnte 2014 auf nationalem Niveau eine Zunahme der britischen Hotelübernachtungen von 1.7% im Vergleich zum Jahr 2013 verzeichnet werden. Die von den Engländern am häufigsten besuchten Destinationen sind weiterhin das Berner Oberland, das Wallis und Graubünden. Allerdings hat seit 2005 der Alpenraum generell ständig Marktanteile gegenüber den grossen Städten wie beispielsweise Zürich und Genf verloren.
Andere auffallende Tatsachen
Hier noch einige weitere Tatsachen, die den Markt „UK & Ireland“ (Schweiz Tourismus, 2015, S. 2) betreffen:
- Mehr als die Hälfte der englischen Besucher hat die Schweiz nach einem ersten Besuchen mindestens noch einmal besucht
- Die Aufenthaltsdauer der englischen Besucher liegt über dem Durchschnitt, ging aber innerhalb der letzten 20 Jahre um mehr als 20% zurück.
- Die englischen Gäste kommen sowohl im Sommer als auch im Winter und zwar ungefähr zu gleichen Teilen
- 2 Millionen Briten (von 60) besuchen regelmässig unser Land.
- Die englische Währung (livre sterling oder pound) verhält sich stabiler als der Euro gegenüber dem Schweizer Franken und reagiert nicht so stark.
- Die englische Presse bleibt sehr interessiert am touristischen Angebot der Schweiz und die Nachfrage bei dem Schweizer Tourismus Büro in London zeigt keine rückläufigen Tendenzen.
- Die Reiseveranstalter und die Reisebüros bleiben für die Engländer die wichtigsten Kanäle, um ihre Ferien zu reservieren, vor allem während der Wintersaison. Hingegen scheint die Nachfrage im Sommer daran sein auf die Internetreservation umzukippen. Diese Entwicklung gilt es weiter zu beobachten.
Die britischen Medien sind fasziniert von «Schweizer Geschichten»
Apropos Arbeit mit den Medien, Schweiz Tourismus informiert, dass die englischen Journalisten ganz besonders interessiert sind an „Schweizer“ Geschichten, die durch die touristischen Akteure aufbereitet werden. Schweiz Tourismus ermuntert deshalb die touristischen Dienstleister und die Marketingverantwortlichen schöne Schweizer Geschichten für die britischen Medien vorzubereiten.
Pressereisen immer noch wichtig, trotz der Blogs in den sozialen Netzwerken
Ausserdem haben die Pressereisen, auch wenn die Blogs und die Publikationen in den sozialen Netzwerken in der angelsächsischen Welt grosse Beachtung finden, immer noch einen festen Stellenwert und bleiben unumgänglich für eine wirkungsvolle Pressekampagne. Eine gute Geschichte im richtigen Moment zu erzählen, bleibt die unumstössliche Regel, die es zu beachten gilt. Es handelt sich also darum die Medien und die Magazine gezielt im Zusammenhang mit ihren Interessen anzusprechen und ihnen dementsprechende Geschichten vorzuschlagen.
Referenzen
Tourismus Observatorium (OVT)
Schweiz Tourismus, Research Report Market Analysis UK, 2015
Ferientag Schweiz Tourismus, Zermatt, 22-23 April 2015
Titelfoto : https://pixabay.com/en/souvenirs-england-united-kingdom-107536/