Lichtensteig 2050, das Wunderkind der Neuen Regionalpolitik

Wakker RegioSuisse NRP Lichtensteig #Entindustrialisierung

Die Gemeinde Lichtensteig im Toggenburg erlebt ein neues Zeitalter, das man sich zehn Jahre zuvor nicht hätte vorstellen können. Heute ist es eine Realität, die durch den Wakkerpreis gewürdigt wird, der dem gescheiterten Ex-Industriellen im Jahr 2023 verleiht wird. Wie viele andere Schweizer Gemeinden an der Peripherie hatte auch Lichtensteig zunächst schwierige Jahre hinter sich: Der Niedergang der Schweizer Textilindustrie, der Aufschwung der Dienstleistungsgesellschaft, das Aufkommen des Individualverkehrs und der damit verbundene Aufstieg der Nachbarstadt Wattwil waren Faktoren, die zu einer Veränderung beitrugen. Auf dem Spiel stehen nicht nur die Produktionsstrukturen, sondern auch soziale Beziehungen, Vorstellungen und Praktiken. Paradoxerweise war diese relative Anomie der Nährboden für neue Ideen, die insbesondere von Mathias Müller seit 2012 vorangetrieben wurden. Der junge Politiker und sein Team stellten ein Projekt im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP) auf die Beine, um die allgemeine Initiative mit dem Titel "Ein Ort für Kreative" mitzufinanzieren.

"Lichtensteig nutzt mit seiner aktiven Politik die Möglichkeiten, Einfluss auf die bauliche Entwicklung zu nehmen und die Nutzungen in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Die Stadt schafft es, neue Einwohnende anzuziehen und die Bevölkerung zu halten, die Kultur zu fördern und so den Charakter eines urbanen Zentrums in einer ländlichen Region wieder zu erlangen", schreibt der Schweizer Heimatschutz auf Lematin.ch. Das Beispiel von Lichtensteig zeigt beispielhaft, wie die NRP bei der Bewältigung des Strukturwandels wirksam unterstützen kann. Der verliehene Preis würdigt insbesondere die vorbildliche Beteiligung der Bevölkerung an Entwicklungsprozessen, die Umnutzung einer ehemaligen Textilfabrik (siehe Titelbild), in der neue Formen des Zusammenlebens erprobt werden können - auch auf arbeitsintensive (Co-Working) und festliche (Events) Art und Weise.


Das NRP-Programm 2024-2031 wird sich stärker auf die Nachhaltigkeit konzentrieren und die lokale Wirtschaft als neues Querschnittsthema einführen. Zudem wird es künftig möglich sein, kleine Infrastrukturprojekte mit A-fonds-perdu-Beihilfen zu unterstützen. Die Beteiligung des Bundes wird 50 000 Franken pro Projekt nicht überschreiten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass "die Finanzierung über Darlehen nicht immer das geeignete Instrument zur Unterstützung kleiner Infrastrukturprojekte ist, die keinen oder nicht genügend direkten Cashflow für den Projektträger generieren, der selbst investiert", so das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung.

 

 

Dieser Beitrag basiert auf den Artikeln "Lichtensteig reloaded", Ph. Bitzer, Wohnrevue, Mai 2023, "La désindustrialisation, une histoire en cours", 20 & 21. Revue d'histoire 2019/4 (N° 144), Presses de Sciences Po und "St. Gallen: Die Stadt Lichtensteig erhält den Wakkerpreis" in LeMatin, 10. Januar 2023. Die Autorin dieses Artikels nahm an der Konferenz regrossisse 2023 : Regional- und Stadtentwicklung im Wandel vom 16. und 17. Mai 2023.


Weitere Informationen:

Mehrjahresprogramm 2024-2031 NRP 

Starterkit für ein NRP-Projekt

RegioSuisse-Konferenz 2023

 

Bildnachweis Titelbild: Christian Beutler/Keystone/Schweizer Heimatschutz