Zielgruppen: Der neue Markt für Familienreisende

Wie die Gesellschaft entwickelt sich auch die "traditionelle" Familie weiter und zeigt ein neues Bild. Diese neuen Familienformen sind auch auf Reisen zu beobachten. Seit der Pandemie haben Familien – egal ob Gross- oder Kleinfamilien – ein starkes Bedürfnis, sich auf Reisen zu begegnen und Kontakte zu knüpfen. Kinder, die bei der Wahl des Urlaubs eine wichtige Rolle spielen, bringen neue Verhaltensweisen und Erwartungen mit sich. Einige Reiseziele gehen weit darüber hinaus, um ihre Angebote anzupassen und echte Erinnerungen an den Familienurlaub zu schaffen.

 

Das Bild der Familien in der Schweiz

  • Zusammensetzung der Familien

Laut den Zahlen des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2021 machten Familienhaushalte mit Kindern unter 25 Jahren etwa 29 % des Anteils der Haushalte in der Schweiz aus. Die Mehrheit dieser Haushalte bewegt sich in einer "traditionellen" Konfiguration, bei der die Eltern verheiratet sind oder im Konkubinat leben. Haushalte von Alleinerziehenden machen 16 % der Familienhaushalte mit Kindern aus. Am häufigsten handelt es sich dabei um alleinerziehende Mütter (83 %). Etwa 0,1 % der Haushalte mit Kindern unter 25 Jahren bestehen aus gleichgeschlechtlichen Paaren.

Auch wenn die "traditionelle" Familienkonstellation am weitesten verbreitet ist, nimmt der Anteil der Eineltern- und/oder Patchworkfamilien einen immer größeren Platz in der Gesellschaft ein.

Quelle: Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik, 2021

 

  • Familientourismus in der Schweiz

Laut den Daten des Tourism Monitor Switzerland von 2017 gehören die Schweiz (63,8 %), Deutschland (9,8 %), BeNeLux (4,3 %) und das Vereinigte Königreich (2,6 %) zu den wichtigsten Märkten, die im Familiensegment vertreten sind.

Zu fast gleichen Teilen wählen Familien, die in die Schweiz reisen, als Unterkunft eine Ferienwohnung / ein Ferienhaus (28,7 %), ein Hotel (28,4 %) oder eine nicht gewerbliche Unterkunft (27,9 %). 

Fast 40 % blieben zwischen 4 und 7 Nächten, während 37,7 % mehr als 8 Nächte blieben.

Die meisten Familien verbringen ihren Aufenthalt in der Schweiz im Sommer (60 %) und sind regelmäßige Besucher (74 %), d. h. sie haben mindestens fünf Mal in der Schweiz Urlaub gemacht. Sie suchen vor allem eine Berglandschaft, um wieder familiäre-freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen, die Natur zu genießen und sich einen Moment der Entspannung zu gönnen.

 

Generationentourismus durch Covid angekurbelt

Während die Covid-Pandemie Familien gezwungen hat, sich monatelang auf Distanz zu halten, offenbart diese neue Zeit nach der Pandemie bei vielen Familien das dringende (und beruhigende) Bedürfnis, sich wieder zu treffen. Familien, die auf Reisen zusammenkommen, wollen sich besondere Momente gönnen, um Bindungen und Erinnerungen wieder aufzubauen und sich wieder auf das zu konzentrieren, was sie für wesentlich halten: den Familienkreis.

In der Post-Covid-Phase sind zwei neue Formen des Reisens auf dem Vormarsch: Mehrgenerationenreisen und generationenübergreifende Reisen.

Mehrgenerationenreisen, manchmal auch als "3G" bezeichnet, umfassen mindestens drei Generationen: Kinder, Eltern und Großeltern. Generationsübergreifende Reisen umfassen eher zwei Generationen, abgesehen von Eltern und ihren Kindern. Sie beziehen sich eher auf Reisen zwischen Kindern und Großeltern oder Onkeln und Tanten.

 

Die einflussreiche Rolle der Kinder

Daten aus Studien, die vom Centre de recherche pour l'étude et l'observation des conditions de vie (Crédoc) in Frankreich durchgeführt wurden, belegen den Einfluss von Kindern auf die Urlaubsreisequote von Haushalten. Tatsächlich sind Haushalte mit Kindern eher geneigt, in den Urlaub zu fahren. Unabhängig vom Lebensstandard wird der Familienurlaub mit Momenten des innerfamiliären Austauschs und Wiedersehens in Verbindung gebracht. Reisen wird sowohl in sozialer Hinsicht als auch in Bezug auf die persönliche Entwicklung positiv betrachtet.

Kinder sind daher die treibende Kraft bei der Wahl des Reiseziels. Wie können Reiseziele, insbesondere in den Bergen, diese Chance nutzen und ihre Kundschaft erneuern?

 

Eine strategische Positionierung für Destinationen

Zunächst durch den Rückgang des Skifahrens alarmiert, sind sich viele Fachleute der Bergdestinationen der Notwendigkeit bewusst geworden, junge Menschen in die Berge zu locken, sowohl im Winter als auch im Sommer. In den letzten Jahren wurden auf beiden Seiten der Alpen zahlreiche Investitionen sowohl in die Kommunikation als auch in das Angebot getätigt, um gezielt junge Kunden anzusprechen.

Sylvain Zeghni, HDR-Dozent an der Universität Gustave Eiffel, erklärt: "Der Familientourismus ist für die Destinationen von strategischem Interesse. Das Phänomen der Wiederholungs-Gäste ist wichtig: 50 % der Kinder kehren als Erwachsene an den Ort ihres Familienurlaubs zurück."

Quelle: Canva

 

In vielen Destinationen machen Familien manchmal bis zu einem Drittel der Inlandsgäste aus.

Sind die in den Destinationen geschaffenen Angebote dieser Herausforderung gewachsen? Die Angebote rund um die Berge müssen weiter bearbeitet werden.

Armelle Solelhac, Spezialistin für Management und Marketing von Bergstationen, äußerte sich kürzlich zum Potenzial der Familienkunden bei der Erneuerung der Kundschaft für Bergdestinationen und erinnerte an die Notwendigkeit der an Kinder gerichteten Botschaft in der Kommunikation: "(...) man muss eine positive Vorstellungswelt entwickeln, in der die Berge ein perfekt abgesicherter Spielplatz sind, ein Ort des bezaubernden und fröhlichen Vergnügens."

 

Sie bezieht sich insbesondere auf die Werbekampagne für Travel Oregon, die in Form eines traumhaften Cartoons präsentiert wird, der an japanische Mangas erinnert:

 

Laut Catherine Milon, Gründerin eines auf dieses Segment spezialisierten Beratungsunternehmens und mit mehreren Erfahrungen in der Begleitung von Destinationen und Unternehmen bei der Strategie einer "Familien"-Positionierung, ist die Vorstellung, dass ein Ferienort aufgrund seiner geringen Größe per se familienfreundlich ist, "einschränkend und reduktionistisch".

Der strategische Ansatz für eine Destination muss umfassend und multidisziplinär sein. Neben dem Angebot an Aktivitäten weist sie insbesondere auf die Herausforderungen der räumlichen Gestaltung und der Mobilität innerhalb des Ortes hin, die wesentliche Punkte für die Zufriedenheit von Familien sind.

 

Beispiele für Angebote, die sich auf Familienreisen konzentrieren

  • Serfaus Fiss Ladis, die Destination mit dem Stempel "We Are Family".

In Tirol wird die Destination Serfaus Fiss Ladis als Beispiel für seinen familienfreundlichen Ansatz genannt.

In erster Linie verfügt die Destination über zahlreiche Infrastrukturen und Einrichtungen. Angefangen beim Sommer-Fun-Park bei der Bergstation der Fiss-Lifte, der sich als wahrer Spielplatz für die ganze Familie präsentiert: mit Sandkasten, Seilbahnen, Rutschen, Sommerrodelbahn etc. Auf den Almen, am Waldrand oder bei der Ankunft der Skilifte hat Serfaus Fiss Ladis sich bemüht, zahlreiche Spielwelten zu schaffen, wie die der Piraten, der Murmeltiere oder auch der Archäologie. Hier kann man sich körperlichen Aktivitäten (Laufen, Springen, Klettern, Graben usw.) oder Entdeckungen (Rätsel, Schatzsuche usw.) hingeben. Diese Welten materialisieren sich durch Bauten und Dekorationen, die meist aus Holz bestehen.

Die Destination verfügt außerdem über zwei große Indoor-Spielkomplexe mit Labyrinthen, Kletterwänden oder auch einem Motorikparcours für Kleinkinder und eine Indoor-Minigolfanlage.

Ein reichhaltiges Programm an Sommer- und Winterveranstaltungen rundet das Angebot an Aktivitäten ab.

 

Die Destination geht sogar noch einen Schritt weiter und bietet eine eigene Webseite für Eltern mit kleinen Kindern an. Dort finden Sie Tipps und Adressen, wo Sie an den Kassen der Skilifte Kinderwagen und Buggys ausleihen können. Das Fremdenverkehrsamt bietet sogar eine Auswahl an geeigneten Wanderungen mit Kleinkindern an oder schlägt eine Liste von Bergrestaurants vor, die mit Wickeltischen ausgestattet sind. Die Website bietet auch eine Liste mit vier Tipps, wie Familien ihre Reise mit einem Säugling gut vorbereiten und genießen können.

Catherine Milon behauptet, dass diese sehr klare Positionierung des österreichischen Skiortes im Familiensegment sogar zu einer Zunahme von Senioren als Kunden in Nebensaisonzeiten wie Frühling und Herbst geführt hat. Diese seien sehr empfänglich für die Bemühungen der Destination im Bereich der Mobilität.

Quelle: Serfaus Fiss Ladis

 

  • Limoges und sein Tourismusbüro für Kinder

Wer könnte besser zu Kindern sprechen als Kinder selbst? Um die Jüngsten zu interessieren und sie zu echten Botschaftern zu machen, begeben sich Destinationen und Unternehmen in einen integrativen Prozess der Konsultation und Ko-Konstruktion.

Im Rahmen seiner mit dem Empfang von Familien verbundenen Strategie hat das Fremdenverkehrsamt von Limoges ein Kinderteam zusammengestellt, dessen Aufgabe es war, die familienfreundlichen Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten des Reiseziels zu testen. An zwei Mittwochen im Monat trafen sich die acht Kinder des OTE (Office de tourisme des enfants), um die Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten der Destination Limoges zu erkunden. So konnten die Kinder direktes Feedback zu ihren Erfahrungen geben und berichten, wie sie die Entdeckung erlebt hatten. Am Ende dieser Erfahrung wurden mehrere mit den Kindern gemeinsam erarbeitete Angebote mit dem Stempel "vom Kindertourismusbüro getestet und genehmigt" versehen. Die Kommunikation der OTE-Aktivitäten, die auf TikTok weitergeleitet wurde, brachte darüber hinaus einen Mehrwert in der Zielgruppenstrategie, da sie insbesondere eine jüngere Gesellschaft und Familien ansprach.

 

  • Feriendörfer sprechen mit Alleinerziehenden und Großeltern.

Feriendörfer sind die wichtigsten Initiatoren von Angeboten für Alleinerziehende. In Frankreich richten sich die Villages Clubs du Soleil oder auch Belambra explizit mit ihren Angeboten an diese Art von Kunden. Die Anbieter heben bestimmte Dienstleistungen hervor, wie z. B. das Ausleihen von Material, eine Kinderbetreuung und -animation oder die Möglichkeit, Aktivitäten für Alleinerziehende zu unternehmen. Die Reka-Stiftung wiederum bietet thematische Angebote an: "Mama Plus!" und "Vater-Kind-Wochen", in denen Zeit für Austausch und Aktivitäten in der Gruppe mit anderen Alleinerziehenden angeboten wird.

Quelle: Freepick

 

Das Club Med Resort bietet Großeltern die Möglichkeit, mit ihren Enkelkindern zu verreisen und unvergessliche Momente zu teilen. Wir entdecken insbesondere das Porträt von Elizabeth, einer Großmutter, die ihre Erfahrungen mit einem Urlaub im Club Med mit ihrem Mann und ihrer Enkelin teilt. Elizabeth gesteht am Ende des Videos, dass sie gerne mit ihrer gesamten Familie zurückkehren würde.

 

Referenzen:

Bundesamt für Statistik. Familien in der Schweiz. 2021

Bundesamt für Statistik. Haushalte und Lebensformen, abgerufen am 19. Oktober 2023

Ducatez Natacha et Greffier Luc, « La Famille, un accélérateur du départ en vacances ? », Le marché des familles. Revue Espaces n°374, September-Oktober 2023, S.18-23

Milon Catherine, « L’accueil des familles, un enjeu d’aménagement pour les destinations touristiques », Le marché des familles. Revue Espaces n°374, September-Oktober 2023, S.24-28

Nadot Lucas, « L’OTE de Limoges : un office de tourisme dédié aux enfants ». Le marché des familles. Revue Espace, September-Oktober 2023, S.56-61

Solelhac Armelle, « Montagne estivale : comment toucher les nouvelles clientèles ? », Travel On Move, 4 septembre 2023

Tourism Monitor Switzerland, Familly Traveler, 2017.

Zeghni Sylvain, « Le tourisme en famille : décryptage d’un marché en évolution », Le marché des familles. Revue Espaces n°374, September-Oktober 2023, S.12-16

 

Bilquelle: Freepick