Auf dem Weg zu einer regenerativen Gastfreundschaft? Ergebnisse einer Umfrage unter Schweizer Hotels

Hotels wollen Verantwortung zeigen, indem sie zu einer besseren Welt beitragen. Um dies zu erreichen, reduzieren viele ihren Ressourcenverbrauch, um ein Gleichgewicht zu erreichen, das als "klimaneutral" bezeichnet wird. Dieses Streben nach Neutralität, um positive und negative externe Effekte auszugleichen, hat sich weiterentwickelt. Obwohl diese Ambition immer noch lobenswert und wünschenswert ist, hat sie sich zu einem radikaleren Konzept der "Wohltätigkeit" entwickelt. Im Paradigma der Regeneration ist es nicht nur wünschenswert, jeglichen Wert- oder Qualitätsverlust zu vermeiden, sondern es zielt auch darauf ab, dem Bestehenden unendlich Wertvolles hinzuzufügen, während es in einer Logik des sparsamen Verbrauchs bleibt.

Ein positiver Nettobeitrag. Quelle: https://www.theclimategroup.org/

 

Die regenerative Gastfreundschaft bedeutet, die Gastfreundschaft zu einer Achse der Stärkung des "Lebens" zu machen, wie es Baptiste Morizot konzeptualisiert hat. Für den Philosophen ist das "Leben" ein Geflecht menschlicher und nichtmenschlicher Abhängigkeiten. Für die Autoren der hier unten präsentierten Studie schließt es daher Bewohner, Mitarbeiter, Kunden und das natürliche Ökosystem ein. Diese Sichtweise postuliert ein grundsätzlich tugendhaftes Funktionieren des Lebens. Daraus ergibt sich die Forderung nach unterstützenden Maßnahmen in Form von Schutz und Reparatur. Es gibt mehrere Hebel, die in Bewegung gesetzt werden können, um zu einer gesünderen und sozial gerechteren Zukunft zu gelangen. Theoretiker gehen davon aus, dass sie alle einen "positiven Nettobeitrag" leisten können. Dieser Begriff bezeichnet die Differenz zwischen positiven und negativen Beiträgen. Basierend auf dem Referenzrahmen der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen berücksichtigt der Nettobeitrag einerseits, inwieweit die Produkte und Dienstleistungen eines Hotels zur Erreichung der SDGs beitragen, und andererseits die negativen Auswirkungen seiner Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette.

In der Baubranche wird dieser Wunsch, die positiven Auswirkungen über die negativen Auswirkungen zu stellen, im folgenden Diagramm veranschaulicht. Dank des Recyclings von Material und der Wiederverwendung, die zu einer gesteigerten Energieeffizienz hinzukommen, sind die netto positiven Beiträge gegeben.

Der Weg zum Öko-Benefit im Bauwesen.. Quelle: Drees & Sommer, 2018.

 

In einem Ökosystem stehen die Teile des Ganzen in ständiger Wechselwirkung miteinander und mit dem System, die Vorteile werden geteilt. Das bedeutet, dass z.B. die Wahl der Baustoffe (oder Renovierungsmaterialien) und der Standort eines Bauwerks positive Auswirkungen auf die einheimischen Arten haben können. Die Verwendung von Recycling-Zement, der mit CO2 angereichert ist, ermöglicht es beispielsweise, die Außenluft zu reinigen, da er in der Lage ist, CO2 zu absorbieren, wenn er aushärtet. Die Schaffung von offenen Innenräumen oder begrünten Dächern kann die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln fördern, zur Unterstützung der biologischen Vielfalt beitragen und den thermischen Komfort der Bewohner verbessern.

 

Gemüsegarten des Hotels Cala Rossa. Quelle: hotel-calarossa.com

 

Grüne Wand im Hotel Jules et Jim in Paris. Quelle: https://www.jardinsdebabylone.fr

 

Regenerative Gastfreundschaft kann auch ein Konzept und ein Angebot von Dienstleistungen sein, die das Wohlbefinden der Menschen, die sie in Anspruch nehmen, ganzheitlich verbessern. Hoteliers, die sich diesem Konzept verschreiben, unterstützen bewusst das physische und emotionale Wohlbefinden ihrer Gäste, aber auch ihrer Mitarbeiter. Ein gutes Verhältnis zwischen den Kollegen am Arbeitsplatz ist einer der wichtigsten Faktoren für die Mitarbeiterzufriedenheit. Sie kann daher die Rekrutierungschancen verbessern. Im Gegenzug und zum Vorteil des Standortes erfolgt die Rekrutierung aus dem lokalen Arbeitsmarkt. Diese Überschneidung von Wohn- und Arbeitsort sichert die Dienstleistungstätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe, die durch saisonale Beschäftigung tendenziell prekär sind. Die Aufwertung des Personals erfolgt auch durch eine mindestens kooperative Arbeitskultur und im besten Fall durch ihre Integration in die strategischen Entscheidungsgremien des Hotels.

Um die Anwendungsbereiche der Regeneration im Tourismus besser zu verstehen, hat die HES-SO das Forschungsprojekt "Digital Enabled Regenerative Hospitality Ecosystems" finanziert. Zu diesem Zweck haben Forschende der EHL Hospitality Business School und der HES-SO Valais/Wallis ihre Kräfte gebündelt, um eine Standortbestimmung der Schweizer Hotellerie im Jahr 2022 vorzunehmen. Die bei den Mitgliedern des Dachverbands Hotellerie Suisse durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass die Hoteliers sensibel auf das (menschliche und nicht-menschliche) Umfeld ihres Hotels reagieren. Diese Sensibilität ist jedoch noch nicht ausreichend ausgeprägt: Weniger als die Hälfte der Hoteliers fühlen sich von den Problemen des Ortes betroffen. Es ist jedoch eine Diskrepanz zwischen der Größe der Hotels einerseits und der Größe der Orte andererseits festzustellen. Betriebe mit mehr als 30 Zimmern engagieren sich stärker im Ortsgeschehen als kleinere Betriebe.

 

Hotels in Ortschaften mit weniger als 10.000 Einwohnern unterstützen stärker soziale, kulturelle und umweltbezogene Initiativen. Es ist auch zu beachten, dass die Sorge um Kunden und Mitarbeiter vorhanden ist, aber die kollaborative Dimension innerhalb des Unternehmens und der Destination noch nicht gut adressiert ist.

 

 

Laut den Ergebnissen der Umfrage haben 16,5% der befragten Hotels regenerative Praktiken. Um unsere Beziehungen zum Leben zu verändern, müssen wir unsere politischen Aufmerksamkeitsschwellen verschieben.

Dieser Beitrag basiert auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts "Digitally Enabled Regenerative Hospitality Ecosystems", das im Jahr 2022 durchgeführt wurde.

 

Zu den Studienergebnissen > 

Zum Artikel im Journal of Tourism Futures

 

 

Für weitergehende Informationen:

- Loretta Bellato  ,  Niki  Frantzeskaki    and  Christian    Nygaar, Regenerative  tourism:  a  conceptual  framework  leveraging  theory  and  practice, Tourism  GeoGraphies, 2023,  VoL.  25,  No.  4,  1026–1046

- EHL & HES-SO, « Digitally Enabled Regenerative Hospitality Ecosystems », 2022

- B. Morizot, Manières d’être vivant, Actes sud, 2020

- Nicolas Truomg, Les penseurs du vivant, Actes Sud, 2023.

- https://sciencepost.fr/ce-beton-absorbe-plus-de-co2-quil-nen-emet/

- https://www.gazettemoselle.fr/article/a-metz-metro-france-veut-palier-aux-carences-en-recrutement-de-l-hotellerie-restauration

- https://hospitalityinsights.ehl.edu/customer-expectations-employee-expectations

- https://www.travelandtourworld.com/news/article/tourism-industry-discusses-how-to-make-travel-a-force-for-good/