Museum und Archäologiepark Laténium von Neuenburg

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Interview mit Virginie Galbarini, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Für die Neuenburgerinnen und Neuenburger ist das im Jahr 1996 gegründete Laténium – ein Park und Museum für Archäologie – mittlerweile zu einer beliebten und sehr gut besuchten Institution geworden, die ihnen sehr am Herzen liegt. Das 2001 eingeweihte kantonale Museum geniesst aufgrund der zahlreichen archäologischen Funde, die seit dem 19. Jahrhundert in den Gewässern des Neuenburger Sees gemacht wurden, einen international wissenschaftlichen Ruf. Die mythische Geschichte der Schweizer "Pfahlbauten" hat schon viele Schulkinder begeistert und ihr Interesse für die prähistorische Geschichte geweckt. Heute wird diese Geschichte in mehreren Museen und archäologischen Parks in den Alpenländern, darunter auch im Laténium, ausgestellt und erzählt. Die prähistorische Pfahlbauten um die Alpen wurden 2011 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen – eine grosse Ehre!

Laténium in Neuenburg - Hauterive. Der Wasserstand gibt den Stand des Sees vor der Juragewässerkorrektion. © Laténium, Quentin Bacchus

Laténium Neuenburg - Hauterive. Photovoltaisches Fresko im archäologischen Park. Hier werden jahrtausend alte Holzpfähle gezeigt, die im Wasser des Neuenburger Sees erhalten geblieben sind. © Laténium, Quentin Bacchus

Das Walliser Tourismus-Observatorium unterhielt sich mit Virginie Galbarini, Mitglied der Direktion und zuständig für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Laténium.

Von wo kommen Ihre Besucher?

Das Laténium empfängt rund 40'000 Besucher pro Jahr (40'000 Besucher in den Ausstellungsbereichen und zusätzlich, je nach Jahr, etwa 30'000 Besucher im Park). Das Laténium ist bei den Einheimischen gut bekannt und kann sich eines treuen Publikums erfreuen, welches 2001 das Museum und seinen archäologischen Park eingeweiht hat.

Die Region Neuenburg wird oft zu Unrecht als eine «periphere» Region der Schweiz wahrgenommen, obwohl die Städte Lausanne oder Bern nur 40 Minuten von Neuenburg entfernt sind. Fast ein Drittel der Besucher kommt aus der Deutschschweiz. Die Dauerausstellung ist vollständig ins Deutsche übersetzt, und auch für die Wechselausstellungen wird ein grosser Übersetzungsaufwand betrieben. Zudem bietet unser Mediationsteam – vor allem für Schulklassen – Führungen oder Workshops in deutscher Sprache an.

Auch die Bewohner der Genfer See-Région besuchen das Laténium sehr häufig und stellen eine wichtige Besuchergruppe in der Umgebung von Neuenburg dar. Das französische Publikum aus der Nachbar-Region (Franche-Comté) ist ebenfalls sehr zahlreich, da es viele kulturelle Affinitäten zwischen den Regionen von Neuenburg und der Franche-Comté gibt. Ausserdem hat das Laténium eine besondere Beziehung zum archäologischen Zentrum von Bibracte im Burgund aufgebaut.

Permanenter Ausstellungsraum © Laténium, Quentin Bacchus

Und die sozialen Netzwerke?

Die Werbung in den traditionellen Medien (lokale Presse) und im Radio in der Westschweiz ist sehr wirksam, da diese Medien von der Bevölkerung gut angenommen werden. Die Coronavirus-Krise hat es mir jedoch ermöglicht Zeit zu gewinnen, um die Präsenz des Museums in den sozialen Netzwerken auszubauen. Das Ergebnis ist sehr ermutigend. Instagram und Facebook sind sehr erfolgreich, da wir unsere Facebook-Gemeinschaft während des Lockdowns auf 6'000 Abonnenten erhöhen konnten. Soziale Medien sind für die Loyalitätsbildung unter unseren Fans unverzichtbar geworden. Darüber hinaus lesen die Abonnenten unsere Nachrichten. Sie sind überhaupt keine «Zapper», wie man meinen könnte, sondern sie verlangen reiche und anregende Inhalte. Nachrichten mit Hintergrundinformationen aus dem Museum werden besonders geschätzt.

Lassen Sie uns unser Gespräch über das Museumspublikum fortsetzen...

Als die Schweizer Museen Mitte Mai nach zwei Monaten Schliessung und Lockdown wieder geöffnet wurden, hatten wir das Bedürfnis zu feiern. Eine Art Auferstehung. Für uns alle war das Bedürfnis nach Geselligkeit und sozialen Beziehungen wirklich gross. Wir befürworteten "transversale" Veranstaltungen, die nicht unbedingt direkt mit den Sammlungen des Museums verbunden sind. Tänzerinnen und Tänzer gaben im Morgengrauen auf dem Gelände des archäologischen Parks am Ufer des Sees eine Vorstellung. Die Künstler traten auch in den Gärten des Parks auf. Diese Veranstaltungen waren sehr erfolgreich und ermöglichten es uns auch, für das Museum ein neues Publikum, das den darstellenden Künsten zugetan ist, zu gewinnen.

Tanzspektakel in der Morgendämmerung des Laténium-Gartens und dem Archäologiepark. © Laténium, Quentin Bacchus

Berichten Sie uns von dem Label «Inklusive Kultur»

Wie alle kulturellen Einrichtungen versucht auch das Laténium, auf spezifische Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen. Zum Beispiel muss ein Museum heutzutage etwas für Menschen mit Behinderungen anbieten. Eine echte Herausforderung! Als erstes Museum der Westschweiz, das mit dem von Pro Infirmis verliehenen Label «Inklusive Kultur» ausgezeichnet wurde, hat sich das Laténium gegenüber dem gesamten Publikum verpflichtet, das Museum allen zugänglich zu machen. Seit 2018 steht unser Vermittlungsdienst im Dialog mit behinderten Besuchern, um Führungen und Workshops anzubieten, die für möglichst viele Menschen zugänglich sind. Das nachstehende Video zeigt eine Führung durch die temporäre Ausstellung "Die Kelten", die von einem blinden Führer geleitet wird. Der originelle Rundgang entstand in Zusammenarbeit mit Menschen, die von Behinderung betroffen sind. Dieser Gestaltungseinbezug mit seinem Publikum ist ein neuer Ansatz für das Museum.

Quelle: you tube

Und das UNESCO-Label?

Natürlich ist das UNESCO-Label, das den palafatischen Stätten des Alpenraums verliehen wird, ein wunderbarer Kommunikationsvektor. Das Laténium profitiert ebenfalls von den Werbeeffekten dieses internationalen Labels, auch wenn es nicht direkt an unser Museum vergeben wurde. So können beispielsweise Besucher der UNESCO-Stätte neben den terrassenförmig angelegten Weinbergen des Lavaux im Genfer See Gebiet eine Eintrittskarte für das Laténium kaufen. Ermöglicht wird dieser "Schneeballeffekt" durch unsere kommerzielle Partnerschaft mit dem nationalen Netzwerk WHES (World Heritage Experience Switzerland), dem Dachverband für das touristische Netzwerk der UNESCO-Welterbe Stätten in der Schweiz. Der Kauf einer UNESCO-Welterbe Karte ermöglicht es uns, neue nationale und internationale Besucher anzuziehen.

Welchen Platz nehmen die Wechselausstellungen in Ihrem Museum ein?

Temporäre Ausstellungen sind unerlässlich für Museen. Sie werden in Zukunft noch wichtiger werden, da die Dauerausstellungen eine Erweiterung unseres Besucherstamms erschweren. Die Expo-Veranstaltung bringt neue Zuhörer und regt das Interesse unseres Stammpublikums an. In diesem Jahr wurde die Ausstellung über "Die Kelten" unter schwierigen Bedingungen organisiert, wobei die Enttäuschung darüber, dass die Ausstellung – vom Zeitpunkt ihrer Eröffnung bis Mitte Mai – während des Lockdowns nicht besichtigt werden konnte, sehr gross war. So haben wir in diesem Frühjahr mit den Kindern ein Publikum verloren, das uns sehr am Herzen liegt, weil ein Grossteil der vorgesehenen Besuche von den Schulen abgesagt wurde.

Grosse Museen bieten Besuche mit erweiterter oder virtueller Realität an. Was halten Sie von diesen technologischen Unterstützungen?

Zunächst einmal ist die Technologie der erweiterten Realität (Augmented Reality) sehr teuer und – wie Sie bereits sagten – können nur die grossen Museen diese Technologie in relevanter Weise beim Besuch von Sammlungen integrieren. Im Laténium sind wir von dem Ansatz, comutergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung einzusetzen, nicht überzeugt. Abgesehen vom Preis, veraltet alles Technologische sehr schnell und man muss die Ressourcen haben, um das Material ständig zu erneuern. Eine Einschränkung sind die Kosten, die für einen begrenzten pädagogischen Mehrwert zu hoch sind. Darüber hinaus sind wir entschlossen, keine Bilder der Vorgeschichte aufzuzwingen, die nicht der wissenschaftlichen Realität entsprechen. Die Archäologie liefert eine Menge Informationen, aber es gibt noch Vieles, was noch nicht erforscht ist. Im Laténium können sich die Besucher nach Belieben in die Vergangenheit projizieren, indem sie die Überreste, die Modelle, die Inszenierungen und die äussere Umgebung betrachten!